Der K(r)ampf mit der Mehrwertsteuersenkung
Ist die Mehrwertsteuersenkung der heilbringende Segen, den die Bundesregierung sich erhofft?
Fragt man Unternehmer, Steuerberatern und Finanzämtern nach ihrer Meinung zur Mehrwertsteuersenkung, wird nur müde abgewunken. Der bürokratische und technische Aufwand wird einfach zu hoch für diese sechs Monate sein.
Mal davon abgesehen, dass es für Unternehmen einen extremen Mehraufwand darstellt, alle Kassen- und Berechnungssysteme umzustellen, belastet diese Mehrwertsteuersenkung auch die Steuerberater und Finanzämter um ein Vielfaches. Denn das Zauberwort heißt „Abgrenzung“. Für Leistungen, die im Juni erbracht wurden, deren Abrechnung aber erst im Juli stattfindet, muss immer noch 19 % Mehrwertsteuer berechnet werden. Darauf sind viele Rechnungslegungssysteme aber nicht eingestellt. Beim Einkaufen im Supermarkt ist es einfach: Wenn ich die Milch am 1. Juli kaufe, zahle ich den gesenkten Mehrwertsteuersatz. Aber Dienstleistungen werden meist erst im Nachhinein berechnet.
Die Dienstleister, die sich um die Umstellung der Kassen-Systeme in den einzelnen Läden oder Restaurants kümmern, kommen kaum noch hinterher.
Die Bundesregierung scheint auf einen Boom zu hoffen. Aber bemerkbar macht sich die Senkung erst bei größeren Anschaffungen, wie dem beliebten Beispiel Auto, auf das sich wohl auch hauptsächlich die Bemühungen bezogen. Denn ob das Brötchen nun 0,65 oder 0,63 Euro kostet merkt kein Verbraucher im Portemonnaie. Interessant wird es also erst bei großen Investitionen. Wer ein Haus bauen wollte, hätte es wahrscheinlich auch ohne Senkung gebaut, kann sich jetzt allerdings gleich noch die Anzahlung auf eine Dachbegrünung für die Garage mit leisten. Bei einem Auto für 30.000 Euro spart man jetzt ca. 757 Euro. Ist die Einsparung wirklich ein Anreiz, es sich jetzt zu kaufen, wenn man es gar nicht braucht?
Was machen Einzelhändler, die alle Waren mit einem Preisschild versehen haben? Alles neu auspreisen? An der Kasse einfach pauschal zwei Prozent abziehen?
Kauft man schon seit Jahren immer das gleiche Produkt, kenn man irgendwann seinen Preis. Ab und zu gibt es die bevorzugten Artikel im Sonderangebot und man freut sich. Mit einem Schlag haben jetzt aber alle Artikel neue Preise. Das ist zum einen für den Verbraucher verwirrend und es verlangt besonders in kleineren Läden ohne Scannerkasse dem Verkaufspersonal viel ab. Sie müssen jetzt erst einmal zum Beispiel den Verkaufspreis der Zeitschrift mühsam auf der Titelseite suchen. Waren wir gerade glücklich über runde Preise, bei denen nicht so viel Klimpergeld wieder im Portemonnaie landete, müssten diese jetzt ziemlich krumm werden.
Die Befürchtung, dass bei Beendigung der Mehrwertsteuersenkung Preise über das Niveau der ehemaligen Preise, die noch im Juni galten, steigen, bleibt. Der Verbraucher kann dies wenig beeinflussen, nur durch Kaufverweigerung. Nahrungsmittel braucht man aber nun mal zum Leben.
Auch Verbraucher hatten bei einer kleinen, nicht repräsentativen Umfrage nur ein müdes Lächeln für die Mehrwertsteuersenkung übrig. Grundtenor auch hier:“Zu weit weg von der Realität.“ und „Das hilft doch niemandem.“