Nach rund sechs Jahren ist die Sanierung Carlebach-Synagoge in Lübeck fast abgeschlossen.
Aufgrund der Corona-Pandemie musste der Einbau der Sakralmöbel im März 2020 leider bis auf weiteres verschoben werden, da die israelischen Handwerker nicht einreisen konnten. Dies wird nun nachgeholt: Unter der fachkundigen Anleitung des Ingenieurs aus dem Kibbuz Lavi per Live-Stream werden die Sakralmöbel von englischen Tischlern eingebaut. Im Rahmen eines Pressetermins stellte Bürgermeister Jan Lindenau gemeinsam mit den Experten heute, 11. August 2020, die Sanierungsarbeiten im Detail vor.
Noch in dieser Woche beenden die drei Tischler aus England den Einbau des Thoraschrein, der Bima, ein Tisch mit Podest, der zum Verlesen der Thorarolle dient, des Rednerpults Lecter sowie der Gebetsbänke mit Ablage. Bautechnisch ist die Sanierung dann abgeschlossen. Konzeptionell wird die Gesamtmaßnahme mit der für das nächste Jahr geplanten Ausstellungseröffnung zur Synagoge und dem jüdischen Leben in Lübeck. Die Kosten der insgesamt rund 8,5 Millionen teuren Umbau- und Sanierungsmaßnahme tragen Bund, Land, Stadt sowie drei Stiftungen.
„Ein langer Weg mit einem wunderbaren Ergebnis. Mit dem Einbau der Sakralmöbel wird die Sanierung der Lübecker Synagoge vollendet. Ich danke allen Beteiligten, die zum Gelingen dieses bedeutenden Projektes beigetragen haben.“ sagte Bürgermeister Jan Lindenau anlässlich der letzten Bautätigkeiten.
Die Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Lübeck, insbesondere die ältere Generation, sind sehr froh, dass die Zeiten der Gottesdienste im Keller vorbei sind: „Endlich können wir die Gottesdienste in der renovierten, mit wunderschönen sakralen Möbeln ausgestatteten Gebetshalle durchführen. Wir sind dem Architekturbüro SBS unter der Leitung des Architekten Thomas Schröder-Berkentien sehr dankbar für seine aktive Mitwirkung und Unterstützung bei der Realisierung der Sakraleinrichtung nach dem historischen Vorbild.“
„Die Jüdische Gemeinde in Lübeck feiert nach 1880 und 1945 eine erneute Eröffnung ihrer schönen Synagoge. Es stimmt mich froh und glücklich, nun, und nach 10 Jahren gemeinsamen Wirkens, den Abschluss dieses baulich und gesellschaftlich hochanspruchsvollen Projektes mit feiern zu können“, betont Thomas Schröder-Berkentien, Architekt BDA.
Die Sanierung im Überblick:
Im April 2010 erwarb die Jüdische Gemeinde zu Lübeck e.V. das Grundstück von der Jüdischen Gemeinde in Hamburg e.V. zurück. Im Mai 2010 beschloss der Vorstand der Jüdischen Gemeinde zu Lübeck e. V, dass die Lübecker Synagoge aufgrund eines erheblichen Sanierungsstaus und wegen einer stark erhöhten Kapazitätsanforderung, die infolge der Zuwanderung von Bürgerinnen und Bürgern aus den ehemaligen GUS-Staaten eintrat, saniert und für eine künftige und den besonderen Umständen angemessene Gemeindearbeit hergerichtet werden soll. Die Jüdische Gemeinde in Lübeck zählt zur Zeit rund 605 Mitglieder und ist damit zahlenmäßig nicht nur größer als je zuvor sondern auch die größte ihrer Art in Schleswig-Holstein.
Nach mehreren Jahren der Planungen und Voruntersuchungen begann die Sanierung im Juli 2014 und musste im November 2016 zunächst unterbrochen werden.
Um das teilsanierte Denkmal dauerhaft vor Witterungseinflüssen zu schützen, wurden dann im Oktober 2016 kurzfristig Gelder durch Bund, Land und Stiftung bewilligt, so dass die Arbeiten vor Ort im November 2016 wieder aufgenommen werden konnten.
Im April 2017 wurde der Jüdischen Gemeinde durch die Hansestadt Lübeck (vertreten durch den Bereich GMHL) die ipc Dr. Talkenberger GmbH als Projektkoordination an die Seite gestellt. Bis Ende September 2017 konnten nun folgende Arbeiten hergestellt bzw. fertig gestellt werden:
· Herstellung der Ersatzsynagoge im Souterrain des Gemeindehauses
· Abbruch- und Freilegungsarbeiten in der Synagoge
· Trockenlegung (Drainage) des gesamten Gebäudes
· neue Unterkellerung (Unterfangungs-Maßnahmen)
· Erneuerung sämtlicher Ver- und Entsorgungsleitungen auf dem Gelände inkl. der Hausanschlüsse
· Fertigstellung sämtlicher statischen Maßnahmen/Rohbaumaßnahmen am Gebäude
· Sanierungsarbeiten am Mauerwerk und an den Holzbalkendecken sowie die Wiederherstellung sämtlicher historischer Öffnungen
· Restaurierung der historischen Gebetsraumfenster sowie des Apsis-Oberlichtes
· Erneuerung der kompletten Dachhaut und Sanierung des Dachstuhls
· Fertigstellung der Fassadenarbeiten einschl. der historische Fensterelemente
· Herstellung der Vorsynagoge
Aufgrund der Fördermittelzusagen von Bund, Land und Possehl-Stiftung Ende 2016 konnte der letzte Bauabschnitt bis zur Fertigstellung in einem Zuge erfolgen. Er beinhaltet die kompletten Ausbauarbeiten in allen Geschossen bis zur Fertigstellung einschließlich der Haus- und Sicherheitstechnik sowie die Herstellung der Außenanlage:
· Restliche Mauerwerkssanierungen in Einzelbereichen
· Fertigstellung des gesamten Daches inkl. Durchbrüche und Dämmarbeiten
· Einbau der Aufzugsanlage
· Herstellung sämtlicher Außentreppen und Rampen sowie der beiden Rettungsspindeln am Gebetsraum
· Herstellung sämtlicher Estricharbeiten inkl. Abdichtungen
· Herstellung der Innendämmung sowie sämtliche Putzarbeiten
· Trockenbauarbeiten im gesamten Gebäude: Trennwände und Decken, teils mit Brandschutzanforderungen
· Restaurierung der Wand- und Deckenmalereien im Gebetsraum inkl. Einrüstung
· Tischlerarbeiten in allen Geschossen: Treppen, Türen, Fußleisten, Fensterbänke etc.
· Metallbauarbeiten wie Innentüren sowie Winterfenster und Außentüren
· Bodenbelagsarbeiten (Dielen, Fliesen, Estrich) und Malerarbeiten im gesamten Gebäude
· Einbau eines neuen Thoraschreins, Bima und fester Bestuhlung im Gebetsraum
· Einbauküchen für die oberen Geschosse
· Haus – und Sicherheitstechnik
· Gestaltung der Außenanlage
Das gesamte Planungsverfahren erfolgte in engster Abstimmung mit den zu beteiligenden Behörden wie der örtlichen Polizei, dem Landespolizeiamt SH in Kiel, der Feuerwehr Lübeck sowie der Bauordnung und Denkmalschutzbehörde.
Denkmalpflege:
Das Gebäude der Synagoge von 1880 steht auf historischem Grund. Während der Bauzeit stießen die Archäologen auf Reste von Vorgängerbauten. Besonders und einmalig ist die Synagoge deshalb, weil sie trotz der Nazi-Aktionen von 1938 und Folgejahren noch in wesentlichen Teilen vorhanden ist. Die heute im schlichten Äußeren dastehende Lübecker Synagoge ist eine der wenigen in Deutschland, die die Zeit des Nationalsozialismus überstanden hat und die einzige in Schleswig-Holstein vollständig erhaltene. Die Synagoge wurde 1991 als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung in das Denkmalbuch der Hansestadt Lübeck eingetragen, wegen seines geschichtlichen Wertes als religionsgeschichtliches Zeugnis und der stadtgeschichtlichen Bedeutung in Bezug auf die besonderen politischen Ereignisse des Jahres 1938. Inzwischen ist die Synagoge vom Bund als Nationales Denkmal anerkannt worden.
Des Weiteren steht das Ergebnis des Umbaus von 1939/41 (in Verantwortung des damaligen Baudirektors Pieper) nicht nur für den baulichen Zustand, sondern auch für die leidvolle Entwicklung und Existenzgeschichte ihrer Nutzer, nämlich der Lübecker Juden. Es ist weiterhin bekannt, dass er zur Umsetzung seiner Pläne die Straßenfassade im Bereich der beiden Seitrisalite um ca. 40 Zentimeter vorsetzte. Beide Mauerwerke sind einschalig, der Verband von 1880 ist als Ziermauerwerk ausgesprochen fugenschlank gesetzt (wie schon die zerstörte Schaufassade). Diese Qualität erreicht das Mauerwerk der 1940-er Jahre nicht mehr; – die jetzige Schaufassade ist mit einem aus dem „Heimatschutzstil“ abzuleitenden Mauerwerksziegel mit Wasserstrich aufgeführt worden.
Die Decken-Konstruktionen bestehen insgesamt aus Holz-Balkendecken. Nur die Konstruktionsebene im 1. Obergeschoss im Mittelteil des Kopf-Baus ist künftig (wie bis 1940) aus konstruktiven Gründen als Stahlbetonkonstruktion ausgeführt. Die „Gewölbe-Konstruktion“ des Gebetsraumes ist eine geputzte Holzkonstruktion, die seitlich auf dem Außen-Mauerwerk aufliegt bzw. von den gusseisernen Bindern des Hauptdaches mitgetragen werden. Fußboden des Gebetsraumes wird als Massiv-Boden ausgeführt und wieder eine Holz-Oberfläche erhalten.
Ein besonderer denkmalpflegerischer Aspekt besteht im Umgang mit der anfangs als verloren geglaubten Ausmalung des Gebetssaals von 1880: die als nahezu vollständig wiedergefundene Malerei an Wänden, Gewölben und Frauen-Empore wird wiederhergestellt und dem Raum künftig seine Feierlichkeit zurückgeben.
Quelle: Pressebüro Lübeck