Buddenbrookhaus lädt zur Festwoche vom 20. bis 27. März 2021
Am 27. März jährt sich der Geburtstag Heinrich Manns zum 150. Mal. Zu Ehren des deutschen Schriftstellers, der vor allem mit seinen gesellschaftskritischen Romanen „Professor Unrat“ und „Der Untertan“ berühmt wurde, sind zahlreiche Aktionen geplant. Das Buddenbrookhaus in Lübeck veranstaltet von Samstag, 20. März, bis Samstag, 27. März, eine Festwoche zu diesem Anlass.
Früher geht es auf den Social Media Kanälen des Buddenbrookhauses los: Facebook und Instagram-Präsenz des Museums widmen sich dem Thema ab sofort. Unter den Beiträgen finden sich auch sieben kurze Videos mit Museumsmitarbeiter:innen, die darin ihre persönlichen Literaturempfehlungen abgeben. Davon wird ab dem 22. März pro Tag jeweils eines auf dem Facebook- und Instagram-Account des Museums gezeigt.
In der Stadt werden Plakate mit Zitaten Heinrich Manns dessen Aktualität verdeutlichen und Lust auf die Beschäftigung mit dem Lübecker Autor machen. Sie verweisen zudem auf die eigens zu diesem Anlass geschaffene Webseite www.heinrich150.de . Auf dieser Seite sind alle Geburtstagsaktionen des Buddenbrookhauses sowie Links zu besonderen Angeboten von Partnerinstitutionen zu finden.
Als besonderes Geburtstagsgeschenk an Heinrich Mann haben die Leiterin des Buddenbrookhauses Dr. Birte Lipinski, Archivleiterin und Vizepräsidentin der Heinrich Mann-Gesellschaft Britta Dittmann sowie die wissenschaftliche Projektkoordinatorin Dr. Caren Heuer einen zweiteiligen Podcast aufgenommen. Sie erzählen darin von Heinrich Manns Leben und seinen Werken, diskutieren die Frage, welche Rolle Lübeck für den Autor spielte und wie er seine Rolle als Schriftsteller verstand. Der Podcast wird in zwei Teilen am 17. und am 23. März auf www.heinrich150.de veröffentlicht und berührt ganz private Seiten aus Heinrich Manns Leben ebenso wie seine öffentliche Wirkung und seine Aktualität. Verlinkt ist außerdem der Podcast der Schauspielerin Cornelia Bernoulli, der auf der Homepage der Künstlerin abgerufen werden kann. Cornelia Bernoulli sollte zu Heinrich Manns Geburtstag in Lübeck mit einem eigens zum Jubiläumsjahr geschriebenen Stück auftreten, in dem sie als Schwester Carla Mann auf den älteren Bruder Heinrich blickt. Die Veranstaltung, eine Kooperation zwischen Heinrich Mann-Gesellschaft und dem Buddenbrookhaus, musste verschoben werden. Der neue Termin wird rechtzeitig bekannt gegeben.
Direkt an Heinrich Manns Geburtstag am 27. März werden 150 Bücher von und über den berühmten Lübecker im Museumsshop „Buddenbrooks am Markt“ an all jene Fans verschenkt, die an der Kasse das Codewort „Heinrich 150“ nennen – nur, solange der Vorrat reicht! Zudem werden drei Exemplare der neu aufgelegten, illustrierten Ausgabe des „Untertan“ an diejenigen gehen, die vorab den schönsten Geburtstagsgruß an Heinrich schreiben. Für diesen Anlass liegen von 20. bis 27. März in „Buddenbrooks am Markt“ Vordrucke bereit, auf denen die Gäste handschriftlich kreativ werden können. Berücksichtigt werden auch Grüße, die über den Facebook- und den Instagram-Kanal des Buddenbrookhauses eingehen. Ein Besuch am Markt lohnt aber auf alle Fälle: Zu Heinrich Manns 150. Geburtstag sind neue Romanausgaben und Lesungen erschienen, wovon auf dem Büchertisch im Shop eine Auswahl zu finden ist.
Auch über Lübeck hinaus findet Heinrich Mann im Jahr 2021 anlässlich seines Ehrentages große Beachtung: Ebenfalls am 27. März zeigt der Sender 3sat um 19.30 Uhr eine Dokumentation mit dem Titel „Der unbekannte Rebell“, in der sowohl Dr. Birte Lipinski zum „politischen“ Heinrich Mann als auch Britta Dittmann zum Thema Heinrich Mann und die Frauen zu Wort kommen. Drehort war das Museum Behnhaus Drägerhaus, in dem sich derzeit die Interimsausstellung „Buddenbrooks im Behnhaus“ befindet. Nach dem Umbau soll in der Dauerausstellung im NEUEN Buddenbrookhaus dem Thema Heinrich Mann und dem so genannten Bruderzwist mit seinem berühmten jüngeren Bruder Thomas mehr Raum geboten werden als bisher.
Und es gibt wichtige neue Bücher: Im Sommer 2021 wird der Briefwechsel zwischen Heinrich und Thomas Mann in einer umfangreichen Neuausgabe erscheinen, die von Prof. Dr. Hans Wißkirchen, Leitender Direktor der LÜBECKER MUSEEN und Präsident der Thomas Mann-Gesellschaft, auf Grundlage von 81 durch das Buddenbrookhaus erworbenen Postkarten überarbeitet wurde. Die Publikation entstand in Zusammenarbeit mit Dr. Katrin Bedenig, der Leiterin des Thomas-Mann-Archivs an der ETH Zürich, und wird Zürich vom S. Fischer Verlag herausgegeben. Außerdem wird ebenfalls im Laufe des Jahres das Heinrich Mann-Handbuch im Metzler Verlag erscheinen, in dem sich Dr. Birte Lipinski über Heinrich Mann und seine Beziehung zur Hansestadt Lübeck sowie Britta Dittmann zu Heinrich Manns Korrespondenz und zur Beziehung zu seinen Geschwistern äußern.
Die für diesen März von der Heinrich Mann-Gesellschaft geplante Jahrestagung zum Thema „Heinrich Mann: Bohème – Republik – Exil“, zu der auch der Bundespräsident sprechen wollte, musste coronabedingt auf 25. bis 27. März 2022 verschoben werden. Die Zeit bis dahin soll aber nicht ungenutzt bleiben: Die Akademie der Künste in Berlin hat das Projekt Heinrich Mann DIGITAL in s Leben gerufen, bei dem die Werke und Briefe des Schriftstellers nicht nur digitalisiert und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, sondern über ein Netzwerk von Berlin und Lübeck über Prag bis hin zur University of Southern California auch die Möglichkeit zur digitalen Zusammenführung verschiedenster Dokumente bietet. Dies sei gerade im Hinblick darauf, dass die Werke Heinrich Manns noch lange nicht ausgeforscht seien, eine wahre Goldgrube für die Literaturwissenschaft, so Britta Dittmann. Dabei gelte Lübeck als eine der zentralen Säulen des Netzwerks, verfüge das Buddenbrookhaus doch seit 2015 über ein umfangreiches Konvolut an Autographen Heinrich Manns, das das Museum von dessen Enkeln käuflich erworben habe.
„Ohne Geburtsstätte kein Weltbürgertum“ – Heinrich Mann und seine Beziehung zu Lübeck
Doch warum sollte man als Lübecker Heinrich Mann am 27. März zum Geburtstag gratulieren? Immerhin ist doch bekannt, dass der älteste Spross des Lübecker Kaufmanns Thomas Johann Heinrich Mann und Julia da Silva-Bruhns seine Heimatstadt nicht besonders mochte, 1889 für eine Buchhändlerlehre nach Dresden ging und abgesehen von einer Stippvisite im Jahre 1893 die Hansestadt nie wieder besucht hat. Seine Liebe galt Frankreich, das er 1941 schweren Herzens auf einer abenteuerlichen Flucht zu Fuß über die Pyrenäen verlassen musste, um schließlich bei seinem Bruder Thomas in den USA Unterschlupf zu finden, wo er sich jedoch nie wirklich einleben konnte. In seinen Lübeckroman „Professor Unrat“ karikierte er das spießbürgerliche Lübeck und wählte als Handlungsorte stets „Nebenschauplätze“ der Hansestadt wie Hafenviertel oder Bordelle, gewissermaßen die „Rückseite der bürgerlichen Fassade, wie sie bei den Buddenbrooks gepflegt wird“, wie Dr. Birte Lipinski erläutert. Auch ist bekannt, dass Heinrich Mann seine Schulzeit am Katharineum, wo er unter anderem wegen Mathematik zweimal sitzen blieb, in schlechter Erinnerung behielt.
Dennoch soll sich Heinrich Mann im Exil zunehmend wehmütig an seine Heimat erinnert haben. Mit seiner zweiten Ehefrau Nelly sprach er Plattdeutsch; er aß gerne Marzipan und im Alter las er erneut den berühmten Lübeckroman seines Bruders „Buddenbrooks“. Seine Herkunft ließ sich auch aufgrund seines Auftretens nicht verleugnen, schritt er doch „wie ein lübischer Senator“ einher, verfügte über ein korrektes Äußeres und gab sich eher hanseatisch zurückhaltend und steif, was im Gegensatz zu seinem Ruf als Lebemann, der gerne im Theatermilieu verkehrte, steht.
Zudem sieht Lipinski die Wurzeln seines politischen Engagements ebenfalls in Lübeck, hatte Heinrich Mann als Senatorensohn in der sich selbst verwaltenden Freien Hansestadt doch die Möglichkeit zu erleben, wie große Politik im Kleinen gemacht wird. Allerdings wandte er das gelernte Selbstverständnis, politisch zu wirken, dann in seiner eigenen Richtung an: als glühender Verfechter der Demokratie und als erklärter Pazifist. Bereits dem Ersten Weltkrieg stand er äußerst ablehnend gegenüber, beschwor immer wieder ein gemeinsames Europa und galt schon in der Weimarer Republik als politischer Prophet, der in seinen Visionen von Transnationalität und seinen Analysen der damaligen Machtverhältnisse kein Blatt vor den Mund nahm. „Es ist erfreulich, dass Lübeck so einen kritischen Geist und Weltbürger hervorgebracht hat“, erklärt Lipinski. Daher wünscht sie sich, dass Heinrich Manns Werke wie die seines Bruders Thomas bald wieder auf dem Lehrplan deutscher Schulen stehen – ein Wunsch, den übrigens schon Thomas Mann für seinen Bruder hatte. In seiner Rede zu Heinrich Manns 70. Geburtstag prophezeite er, dessen literarische Werke würden in den „Schul-Lesebüchern der Zukunft“ für die Demokratie werben und Nationalismus und Hass entlarven.
Weitere Infos zu den Aktionen anlässlich Heinrich Manns 150. Geburtstag sind zu finden unter www.buddenbrookhaus.de bzw. unter www.heinrich150.de