PolitikStockelsdorf

Heftige Diskussionen um Flüchtlingsunterbringung

Rauher Umgangston bei der Gemeindevertretersitzung am 14. Juni 2021. Ein bisher nur nichtöffentlich diskutierter Tagesordnungspunkt wurde in die Öffentlichkeit getragen.

Zu Beginn der Gemeindevertretersitzung hielt Bürgervorsteher Manfred Beckmann eine kurze bewegende Rede zum Tod von Holger Hintz, der für das „Bündnis für Bürger“ (BfB) in der Gemeindevertretung saß und im Alter von 69 Jahren kürzlich verstarb. Hintz vertrat stets fest seine Meinung, erstritt in vorderster Front die Befreiung von den Straßenausbaubeiträgen, plante und organisierte Feste, Fahrten und Vorträge für die Siedlergemeinschaft Stockelsdorf Mitte und wusste, wen er mit ins Boot holen musste, um Dinge durchzusetzen. Er wird vielen Menschen sehr fehlen.

Trotzdem musste es weitergehen mit der Sitzung. 

Nach der Zusimmung des Wechsels von Karl-Ludwig Tretau und Sarah Andermann als 1. stellvertretenden Mitglied der SPD-Fraktion in den Ausschuss für Jugend, Sport, Soziales, Schule und Kultur wurde einer außerplanmäßigen Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 45.000 Euro für eine neue Software für´s Ordnungsamt zugestimmt.

Der Tagesordnungspunkt mit dem größten Konfliktpotenzial hieß “Vertragliche Rahmenbedingungen und mögliche Perspektiven für die Unterbringung von Migranten” und wurde im Vorwege schon ohne Einigung nichtöffentlich lange diskutiert. 

Durch Fragestellung Investorennähe suggeriert

Gleich zwei Mal musste sich die CDU in Stockelsdorf die „Frage“ von Seiten der SPD gefallen lassen, ob nicht bei ihrer Favorisierung des Baus von gemischten Wohnanlagen mit Flüchtlingswohnungen zur dezentralen Unterbringung durch Investoren eher parteiinterne Interessen im Vordergrund stünden, da die SPD dem Vorschlag der Bürgermeisterin, die Gemeinde selber ein Wohnheim für Geflüchtete bauen zu lassen, den Vorzug gab. 

Dabei wurde betont, dass alle Gemeindevertreter eigentlich das Gleiche wollen, nur über den Weg dahin ist man sich nicht einig. Für eine bessere Integration sollen Flüchtlinge am besten dezentral untergebracht werden. Dafür wollten die CDU und Bündnis 90/Die Grünen erreichen, in verschiedenen Gebäuden, die von Investoren (können z.B. Baugenossenschaften sein) zu errichten sind, vereinzelte Wohnungen anzumieten und das auch vertraglich zusichern zu lassen. Dafür braucht es aber Zeit. Ein Aufschub der Zwangszuweisung, weil Stockelsdorf seine Unterbringungsquote nicht erfüllt, sollte beim Kreis erwirkt werden.

1.920.000 € für Neubau gegen 1.292.035 € für Miete seit 2016

Die Gemeinde hat in der Vergangenheit viele Wohnungen für Flüchtlinge angemietet, auch Apartments im Nordic Hotel. Laut der Zahlen der Verwaltung wurde der Gemeindehaushalt in den Jahren 2016 bis 2020 mit der Miete für die Flüchtlinge mit insgesamt 1.292.035,70 Euro belastet.  Weiterhin wird vorgerechnet, dass die Neuerrichtung eines einzigen Migrantenwohnheims in Massivbauweise (vergleichbar dem Wohnheim im Brandenbrooker Weg) mit einer Kapazität von ca. 29 Plätzen nach dem aktuellen Baukostenindex (Stand 2020) unter Berücksichtigung einer Budgetreserve von 15 % voraussichtlich ca. 1.920.000 € kosten würde. Die Kosten für das Baugrundstück sind dabei nicht berücksichtigt. Bei der Errichtung auf einem Bestandsgrundstück würden diese Kosten den Haushalt nicht belasten. Würde man es hingegen an einen Investor verkaufen, würde es zudem noch Geld in den Gemeindehaushalt spülen.
Gern hätte man das errichtete Gebäude auch als sozialen Wohnungsbau mit einheimischen und geflüchteten Familien bereichert.

Das kann aber erst der Anfang sein, denn das eine Gebäude würde nicht ausreichen, wie deutlich wurde. Unter günstigsten Bedingungen würde bis zum Ende 2025 ein Bedarf von mindestens 67 Unterbringungsplätzen bestehen, rechnet die Verwaltung vor. Und privat angemietete Wohnungen fallen zunehmend weg. Mit einer Kapazität von ca. 29 Plätzen in diesem Wohnheim kann der “worst case“  mit 180 Unterbringungen, auf den die Verwaltung auch hinweist, überhaupt nicht abgefangen werden, dafür bräuchte es mehr. Die Frage nach der Bewirtschaftung des Gebäudes (Hausmeisterservice? Bauhof?)  bleibt auch offen, zumindst für die Öffentlichkeit, eventuell wurde darüber im Nichtöffentlichen Teil beraten oder noch gar nicht bedacht. 

Nach zähem Ringen und viel Aufregung wurde schlussendlich ein Kompromiss zur Beschlussfassung erarbeitet und einstimmig beschlossen: 

  • Die Gemeinde Stockelsdorf beabsichtigt eine dezentrale Unterbringung zur Umsetzung eines positiven Migrationskonzeptes.
  • Die Verwaltung wird beauftragt, Gespräche mit dem Kreis zu führen, um unter Mitarbeit des Kreises zu erreichen, dass ein Zuweisungsaufschub von zwei Jahren erwirkt wird und für den Erfolg des Migrationskonzeptes hauptsächlich Familien mit Bleibeperspektiven zugewiesen werden.
  • Parallel dazu soll die Planung einer gemeindeeigenen Wohnanlage fortgeführt werden.
  • Für die ersten Planungsphasen werden Haushaltsmittel in Höhe von 100.000 Euro zur Verfügung gestellt.

Wer näher in dieses Thema eintauchen möchte kann sich hier belesen: https://stockelsdorf.de/buergerinformationssystem

 

Download als PDF

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"