Feierlicher Höhepunkt eines rasanten Konfirmations-Kursus: Mitten auf dem Lübecker Volksfest ist drei Jugendlichen aus Schaustellerfamilien der Segen zugesprochen worden. Es war der erste Gottesdienst dieser Art seit vielen Jahren.
Es schallt kein David Guetta aus den Boxen, kein Tiësto und keine Miley Cyrus. Als sich an diesem Tag auf dem Lübecker Volksfest der “Break Dancer” in Bewegung setzt, wird Orgelmusik gespielt, laut und klar. Zu Johann Sebastian Bach drehen fünf Personen in den Gondeln des beliebten Fahrgeschäfts schnell ihre Runden: St. Marienpastor Robert Pfeifer und Nordkirchen-Konfirmandenbeauftragte Irmela Redhead in Albe mit roter Stola sowie drei Konfirmandinnen. Sie lachen. Die Haare fliegen im Wind. Die Stimmung ist gelöst.
Gottesdienst zwischen Buden und Fahrgeschäften – und im familiären Umfeld
Es ist der Auszug eines Gottesdienstes, der so nicht alle Tage gefeiert wird: Drei Jugendliche aus Schausteller-Familien sind an diesem Tag konfirmiert worden. Mitten auf dem Volksfest, zwischen den Buden und den Fahrgeschäften. Aber vor allem: “Mitten in unserem familiären Umfeld”, sagt Angelina. Zusammen mit Jamie und Josefine, die an diesem Tag ebenfalls Konfirmation feiern, und 14 weiteren Jugendlichen hat sie im März am Konfi-Kirmes-Kursus in St. Marien teilgenommen. “Das ist mir einfach persönlich ganz wichtig”, sagt die 18-Jährige. “Ich wurde auf dem Volksfest getauft, ich wurde hier konfirmiert: Jetzt hat sich das Gefühl meiner intensiven Verbindung zu Gott noch einmal verstärkt.” Viele der Konfis, die ebenfalls an dem Kursus teilgenommen haben und an diesem Tag nicht konfirmiert werden, erhalten den Segen auf anderen Jahrmärkten und Volksfesten, wie z.B. auf dem Hamburger Dom.
Kirmes-Konfirmation mit langer Tradition
Dass überhaupt Konfirmationsgottesdienste auf einem Volksfest stattfinden, ist nichts völlig Neues. “Das hat es schon viele, viele Jahre zuvor gegeben”, sagt Pastor Robert Pfeifer. “Aber natürlich sind sie in diesem Umfeld immer wieder etwas Besonderes.” Deutschlandweit zählt die “evangelische Gemeinde auf der Reise” mehr als 20.000 Mitglieder. Davon, dass Schausteller:innen eine besondere Beziehung zu Gott haben, zeugt nicht zuletzt das Schausteller-Gebet, das auch in diesem Gottesdienst gesprochen wird. In ihm geht es unter anderem um “das Vorrecht, als Schausteller Freude und Vergnügen zu bringen allen Menschen, besonders den Armen, den Einsamen und denen, die vom Glück benachteiligt sind.”
Schaustellerin Janin Belli hat die Tradition der Konfirmation auf dem Lübecker Volksfest nach einigen Jahren Pause wieder neu ins Leben gerufen; der Vorsitzende des Schaustellerverbandes, Holger Bock, ist sehr froh darüber: “Das ist schließlich etwas, das seit Jahrhunderten wunderbar gewachsen ist.”
Wie ein Break Dancer: Die Unwägbarkeiten des Lebens
“Wann immer mich die Angst befällt, traue ich auf Dich”, singen alle gemeinsam im Gottesdienst – und so gibt es wohl kein besseres Bild, als danach gemeinsam in den Break Dancer einzusteigen. Die frei beweglichen Gondeln, Drehungen und Schrägstellungen des Fahrgeschäfts führen zu einer schwer vorhersehbaren und sich ständig ändernden Fahrtbewegung – ganz ähnlich den Unwägbarkeiten des Lebens. Doch den Konfirmandinnen wird Vertrauen mitgegeben: “Ich berge mich in Deiner Hand, denn du schützt mich”, singen alle gemeinsam aus voller Kehle. “Es war mega, wie alle mitgesungen haben”, sagt Irmela Redhead, Konfirmandenbeauftragte der Nordkirche, nach dem Gottesdienst. “Die Jugendlichen waren alle vorher so aufgeregt gewesen, aber jetzt hat alles ganz wunderbar geklappt, an diesem strahlend schönen Tag.“