Weniger Straftaten in 2020, mehr Gewalt in Partnerschaften
2020 hat es so wenige Straftaten gegeben wie zuletzt 1977. Zugleich klärte die Polizei mehr Taten auf als je zuvor. Doch die Zahlen sind relativ.
Die Zahl der Straftaten ist in Schleswig-Holstein 2020 weiter gesunken und auf dem niedrigsten Stand seit 1977. Nach 183.445 Taten im Vorjahr registrierte die Polizei 173.929 Straftaten im Jahr 2020. Das geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik 2020 (PKS) hervor, die Innenministerin Dr. Sabine Sütterlin-Waack und der zuständige Abteilungsleiter im Landeskriminalamt, Rolfpeter Ott, in Kiel vorgestellt haben. Zugleich klärte die Polizei 55,8 Prozent aller Taten auf. Das ist die beste Quote überhaupt seit Beginn der Aufzeichnung 1963.
Corona hinterlässt Spuren
Auch wenn viele der Zahlen durch die Corona-Pandemie bedingt sind, hat es 2020 wenige Straftaten mit einem unmittelbaren Corona-Bezug gegeben. 281 Straftaten wurden nach dem Infektionsschutzgesetz erfasst, beispielsweise wenn die Quarantäne oder ein Betriebsverbot nicht eingehalten wurde. Sie haben zu einem gravierenden Anstieg der registrierten Straftaten im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes geführt.
Nur in Einzelfällen habe es Widerstand oder Gewalt gegen Polizist:innen gegeben, die das Abstandsgebot, die Maskenpflicht oder Kontaktbeschränkungen durchsetzten. Auch Straftaten, die nach Beginn des Impfstarts zunächst befürchtet worden waren, blieben weitestgehend aus.
Vermögens- und Fälschungsdelikte
Im Bereich der Vermögens- und Fälschungsdelikte wurden 2020 26.513 Taten erfasst, 1.318 weniger als im Vorjahr. Die Schleswig-Holsteiner:innen wurden dabei am häufigsten Opfer eines Betrugs. Die Menschen haben 2020 vermehrt im Internet bestellt und keine Waren oder Leistungen erhalten.
Allerdings muss man diese Zahlen in Relation setzen, da die Polizeiliche Kriminalstatistik nur Straftaten erfasst, bei denen Täter:innen in Schleswig-Holstein gehandelt haben. Straftaten, deren Handlungsort im Ausland zu vermuten ist, machen allerdings einen zunehmenden Anteil der Kriminalität aus. Deshalb weist Schleswig-Holstein diese Delikte in einer gesonderten Statistik aus. 2020 zählte die Polizei darin allein 15.250 Vermögens- und Fälschungsdelikte. Hierzu zählen teilweise Betrugstaten über Call-Center im Ausland, der sogenannte Enkeltrick, falsche Polizeibeamt:innen oder Gewinnversprechen.
Steinwürfe in Statistik sichtbar
Die Zahl der Straftaten gegen das Leben, wie Mord und Totschlagsdelikte, ist gesunken während die Aufklärungsquote stieg. Rolfpeter Ott vom Landeskriminalamt erläuterte, dass zuvor ein Anstieg der Mordfälle in 2019 auf Steinwürfe auf den Autobahnen zurückzuführen war.
Gewalt in Partnerschaften hat zugenommen
Ohnehin belastete Partnerschaften haben durch die Lockdown-Phasen 2020 noch mehr Druck erfahren. Gab es bislang nur Hinweise von beispielsweise Frauenberatungsstellen oder dem Weißen Ring, werden diese nun durch die Zahlen der PKS bestätigt. 2020 hat die Polizei bislang 180 Betroffene mehr als im Vorjahr registriert und fürchtet, dass noch weitere hinzukommen werden. Denn Fälle der Tatmonate Oktober bis Dezember werden möglicherweise noch bearbeitet oder sind nicht zur Anzeige gekommen. Die Innenministerin rät jeder betroffenen Frau, die bestehenden Hilfsangebote anzunehmen.
Betrug bei Corona-Soforthilfen
Bei Subventionsbetrug im Zusammenhang mit Corona-Hilfen hat die Polizei 169 Fälle aus dem Frühjahr 2020 erfasst. Die Verfahren seien sehr umfangreich und in vielen Fällen auch mit intensiven Finanzermittlungen verbunden, erläuterte Sabine Sütterlin-Waack. Deshalb gehe die Polizei davon aus, dass auch 2021 mit einer fast gleich großen Anzahl in der Statistik zu rechnen ist. Die Neuregelung der Beantragung der Corona Hilfen über Rechtsanwälte oder Steuerberater greife aber und habe aber zum Jahreswechsel zu einem deutlichen Rückgang der Verdachtsfälle geführt.
Schwere Zeiten für Langfinger
Große Erfolge verzeichnet die Polizei auch weiterhin beim Diebstahl. Beim Wohnungseinbruch haben sich die Zahlen in den letzten fünf Jahren halbiert. Die Ministerin führte die Erfolge auf die Prävention und Aufklärung der Polizei zurück, aber auch auf den Selbstschutz. Schleswig-Holsteiner:innen können aktuell auch wieder ihr Zuhause mit Fördergeldern einbruchsicher machen.
Mehr Informationen zum Einbruchschutzprogramm des Landes
Auch beim Laden- und Fahrraddiebstahl sind die Zahlen rückläufig, zum einen Corona-bedingt, zum anderen vermutlich aber auch, weil Eigentümer:innen ihre Fahrräder besser sichern.
Gewalt gegen Einsatzkräfte steigt weiter
Die Gewalt gegen Polizist:innen ist 2020 um 26 auf insgesamt 1.280 Fälle gestiegen. Insgesamt 2.872 Beamt:innen waren betroffen, von denen 440 verletzt wurden.
Drogen und Rauschgift
Bei den Rauschgiftdelikten liegt die Gesamtzahl erstmals über 11.000. Bei 83 Prozent davon handelt es sich um sogenannte konsumnahe Delikte und Kleinhandel, also wenn Konsument:innen Drogen und Rauschgift kaufen, besitzen oder ihren Konsum durch Verkauf finanzieren. Der Polizei gelingt es aber auch vermehrt, schwerere Straftaten wie zum Beispiel Handel mit großen Mengen aufzudecken. Das ist ein Schwerpunkt der Polizei in diesem Deliktsbereich.
Kinderpornografie
Sexualdelikte sind 2020 um 10,7 Prozent gestiegen und Fälle von Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung von Kinderpornografie sogar um 30 Prozent. Rolfpeter Ott erläuterte, dass die Zahlen in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen sind und prognostisch noch weiter steigen werden. Im Internet gibt es zunehmend Kontrollinstrumente, die helfen werden das Dunkelfeld zu erhellen.