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Wir hören auf mit gendern

Uns erreichen immer mehr Bitten, doch endlich aufzuhören mit gendern, es störe den Lesefluss.

Als Frau darf ich das schreiben: Ehrlich gesagt bin ich auch dieser Meinung und nach immer mehr Auseinandersetzung mit diesem Thema, das -wie ich finde- zu unrecht politisiert wird, sondern eher ein psychologisches Thema ist, werden ich und meine Kollegen in selbstgeschriebenen Texten von nun an darauf verzichten.

Alle Texte, die uns zugeliefert werden, von Pressportalen oder öffentlichen Stellen kommen, werden wir weiterhin im Original übernehmen und an der Ansprache gegenüber dem Leser nichts ändern.

Ich fühle mich auch angesprochen, wenn ich als Einwohner oder Bürger von Stockelsdorf bezeichnet werde und nicht alles im Text mit Sternchen oder Doppelpunkt versehen ist. Diese Debatte um die Ansprache männlich und weiblich in Texten gab es schon mal, es muss in den 80ern gewesen sein. Als Kind fand ich das damals total überspitzt und unnötig, und auch heutzutage muss ich sagen: Dank meiner Erziehung fühle ich mich emanzipiert genug, um auf gendern, das damals nicht so hieß, verzichten zu können. 

Ja, früher war es absolut nötig, dass Frauen sich wehrten, das Wahlrecht erstritten und auch heutzutage ist es mir unverständlich, dass Frauen für die gleiche Position weniger Gehalt beziehen sollen als Männer. Selbst kann ich mir davon allerdings kein Bild machen und muss auf die Aussagen der Gewerkschaften vertrauen. Denn die Arbeitsverträge, die ich kenne, untersagen es, sich mit Kollegen über das bezogene Gehalt zu unterhalten und daran habe ich mich bisher gehalten. Außerdem frage ich mich, haben denn die tarifgebundenen Unternehmen verschiedene Versionen der Tarifverträge – m/w/d? Oder wird Männern von vornherein eine außertarifliche Zulagen zugestanden? Da kann ich wohl von Glück reden, bei einem Arbeitgeber gelandet zu sein, der weder geschlechterspezifisch, noch nach Religion unterscheidet. Denn in kleinen aufgeschlossenen Unternehmen (nein, es müssen nicht immer nur Start-Ups sein) zählt die Arbeitsleistung und nicht, ob jemand fünf Mal am Tag beten oder rauchen geht.

Aber ich schweife ab. Warum ist vielen Menschen gendern so wichtig? Weil sie sich sonst nicht wahrgenommen fühlen und sie Bilder im Kopf haben. Wird nur das Maskulinum verwendet (der Bürger, Plural: die Bürger), haben psycholinguistische Studien gezeigt, dass die meisten Menschen sich dann nur Männer vorstellen. Wird z. B. nach Musikern oder Schriftstellern gefragt, werden kaum Frauen genannt, anders als wenn nach Musikern und Musikerinnen gefragt wird. 

Also sind eigentlich die Bilder in unserem Kopf schuld. Ist das anerzogen oder historisch gewachsen?

Es gab eine Zeit, da konnten Frauen keine Richter oder Doktoren werden. Das hat sich zum Glück geändert und auch in der Computerprogrammierung und Raumfahrt sind Frauen anzutreffen. Unsere Gesellschaft ist also fortschrittlicher geworden, müssen wir dann tatsächlich unsere Sprache umstellen, weil unsere Bilder im Kopf immer noch die alten sind oder gibt es die Möglichkeit, dass die heranwachsende Generation, die Frauen als Tischler, Techniker und Polizisten kennt, darauf verzichten kann?

Wenn man es also von dieser Seite betrachtet, wäre gendern im Hinblick auf eine geschlechterunabhängige Wahrnehmung eher kontraproduktiv.

 

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