Lübeck

„Ohne eine starke Wirtschaft gibt es keine Sicherheit, ohne Sicherheit keine starke Wirtschaft“

Neujahrsempfang der IHK Lübeck

[LÜBECK]
Die deutsche Wirtschaft wird auch im Jahr 2025 voraussichtlich nicht wachsen – „nach drei Jahren Stagnation in Folge“. Mit diesen mahnenden Worten forderte Hagen Goldbeck, Präses der IHK Lübeck, die Politik auf, im Bund nachhaltige Reformen in der Wirtschaftspolitik einzuleiten. „Wir stecken mitten in einer strukturellen Krise. Es ist daher höchste Zeit, den Kurs zu ändern, damit unser Wirtschaftsstandort seinen Weltrang erhält und weiter im internationalen Wettbewerb bestehen kann“, sagte er vor mehr als 1100 Gästen des IHK-Neujahrsempfangs in der Musik- und Kongresshalle Lübeck. Unter ihnen waren Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther, Finanzministerin Dr. Silke Schneider, Justiz- und Gesundheitsministerin Professor Dr. Kerstin von der Decken, Digitalisierungsminister Dirk Schrödter, Staatssekretäre, Abgeordnete aus Bund und Land, die Spitzen norddeutscher Kammern, Verbände und Hochschulen, Bischöfin Kirsten Fehrs, Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie Vertreterinnen und Vertreter von Unternehmen.

„Der Standort Deutschland benötige jetzt endlich einen gesamtgesellschaftlichen Ruck. Politik und Wirtschaft müssen gemeinsam bereit sein, mutig Veränderungen einzuleiten. Schluss mit einem ängstlichen Klein-klein und dem Herumdoktern an Symptomen“, sagte der Präses. „Während bei uns erstickende Vorschriften sowie ein kleinteilig und interventionistisch agierender Staat in die wirtschaftliche Freiheit eingreift und die Wirtschaft hemmt, ordnet sich die Weltwirtschaft neu. Wir müssen jetzt wie in den Aufbaujahren der Bundesrepublik die Ärmel hochkrempeln und bereit sein, wieder mehr zu leisten, statt eine Kultur der Besitzstandswahrung zu pflegen und auszubauen.“

Für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im Hansebelt wie auch in ganz Deutschland seien vor allem eine Rückbesinnung auf die Soziale Marktwirtschaft mit ihren hohen Freiheitsgraden, ein Ausbau der Infrastruktur und eine Stärkung des Unternehmertums erforderlich. Die Wirtschaft leide schon jetzt unter den Lasten der Bürokratie, dem Fachkräftemangel, hohen Abgaben und Energiepreisen sowie den geopolitischen Veränderungen. „Der damit einhergehende Paradigmenwechsel hat starke Auswirkungen auf die Wirtschaft“, betonte Goldbeck.

Auf diese ging Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann in ihrem Impulsvortrag ein. „Wir stehen vor sicherheitspolitisch riesigen Herausforderungen. Trump in den USA, Putin in Russland – Europa muss dringend überfällige Antworten auf die Frage finden, wie wir selbst unsere eigene Sicherheit und damit auch unsere Wirtschaft, Freiheit und unseren Wohlstand schützen können“, sagte die Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung im Europäischen Parlament. „Der Ostseeraum ist dabei nicht nur ein Bindeglied zwischen EU-Partnern und den neuen NATO-Mitgliedern, sondern auch ein zentraler Sicherheits- und Wirtschaftsraum.“ Schleswig-Holstein spiele dabei eine Schlüsselrolle „– als Drehscheibe für Handel, Energie und Transport, mit den Häfen als Herzstück. Denn hier wird eins besonders deutlich: Ohne eine starke Wirtschaft gibt es keine Sicherheit, ohne Sicherheit keine starke Wirtschaft.“

Wie seine Vorrednerin ging auch Ministerpräsident Daniel Günther auf die geopolitischen Veränderungen und sicherheitspolitischen Herausforderungen ein, die eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben notwendig machten. Er warb in seiner Rede für den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein: „Unser Land ist und bleibt ein Zentrum für innovative Wehrtechnik. Wir haben Unternehmen, die sich auf Technologien wie Seeaufklärungsdrohnen, KI-gestützte U-Boot-Systeme oder neue Schutzmaterialien und autonome Systeme spezialisiert haben. Damit tragen diese Firmen aktiv zur neuen Sicherheitsarchitektur Deutschlands und Europas bei.“ Der technologische Fortschritt in diesem Bereich sei gleichermaßen Beitrag zur Verteidigung wie wichtiger Wirtschaftsfaktor, denn er sichere und schaffe hochqualifizierte Arbeitsplätze. „Wir müssen in Deutschland künftig mehr in unsere Verteidigungsfähigkeit und Sicherheit investieren und die Ausgaben in diesem Bereich deutlich erhöhen.“ Auch in Großprojekte wie den Nord-Ostsee-Kanal oder Autobahnen, so den Weiterbau der A20, erwarte er von der neuen Bundesregierung verlässlichere Investitionen, sagte Günther. Schleswig-Holstein habe in vielerlei Hinsicht eine enorme Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Dies gelte neben der Verteidigungsindustrie gerade mit Blick auf Lübeck auch für den Bereich der Gesundheitswirtschaft und Medizin.

Die gute Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik im Norden wünscht sich die IHK auch im Bund. Viele der Gesetze und Verordnungen, unter denen die Unternehmen litten, interpretiere er Ausdruck des Misstrauens der Politik, so Hagen Goldbeck. „Keine andere gesellschaftliche Kraft ist einem so großen Druck ausgesetzt wie die Wirtschaft“, sagte er. „Es wäre schön, wenn zum Beispiel die Bildung so klare Regeln erfahren würde, dann hätten wir bald das gebildetste Land auf der Welt.“

Von der künftigen Bundesregierung erwarte die Wirtschaft neben mutigen wirtschaftsfreundlichen Reformen vor allem Stabilität, Vertrauen und Verlässlichkeit. Politische Machtkämpfe und eine instabile Regierung seien existenzgefährdend für das Unternehmertum. Aufgrund der strukturellen Schwäche müsse Wirtschaft zwar ein zentrales Wahlkampfthema sein, Politik dürfe sie aber keinesfalls ideologisch missbrauchen. „Wir benötigen eine lösungsorientierte und weitsichtige Wirtschaftspolitik. Die Politik muss akzeptieren, dass die Wirtschaft anderen Zyklen unterliegt als Legislaturperioden. Deswegen sind parteienübergreifende und langfristig orientierte Grundsätze wichtig“, betonte IHK-Hauptgeschäftsführer Lars Schöning in der vom Radio- und Fernsehjournalisten Christopher Scheffelmeier moderierten Veranstaltung. Er forderte eine Rückbesinnung auf die Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft. „Sie ist aktueller denn je. Politik muss die freiheitlichen Kräfte in der Wirtschaft und ihre Entfaltung zulassen“, so Schöning. „Wir benötigen wieder eine klare Aufgabentrennung von Staat und Wirtschaft. Der Staat setzt wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen, die Unternehmen agieren. Das stärkt den Wettbewerb, befördert Investitionen und Innovationen und ermöglicht insgesamt auch den gesellschaftlichen Fortschritt.“ Gemeinsam mit Präses Goldbeck forderte er eine Deregulierung im Planungsrecht und auf dem Arbeitsmarkt sowie „ein Moratorium für neue, die Wirtschaft weiter belastende Verordnungen und Gesetze, damit Unternehmertum wieder zur entscheidenden Wachstumskraft in unserem Land wird.“ Es müsse Schluss sein mit der bröckelnden Infrastruktur und viel zu langen Planverfahren, den im europäischen und weltweiten Vergleich deutlich zu hohen Energiepreisen, der zu komplizierten und zu wenig auf Leistung setzenden Steuerpolitik sowie einer „überbordenden Regulatorik, die den Mittelstand erstickt“.

Er sehe große Chancen für den Hansebelt, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, ergänzte der Präses. „Der Hansebelt ist kein Randgebiet mehr wie noch vor ein paar Jahrzehnten. Wir sind mittendrin in einer dynamischen Region zwischen den Metropolen Hamburg und Kopenhagen. Hier haben wir starke Cluster, die wir einbringen können: Medizintechnik, Life Sciene, Ernährungswirtschaft, Logistik und Tourismus.“ Darüber hinaus sei der Norden das Bindeglied zwischen Deutschland und Skandinavien sowie dem aufstrebenden Ostseeraum. Goldbeck: „In einer engen Kooperation liegen große Chancen, gemeinsam stehen wir für Innovationskraft, Wachstum, Wohlstand, Stabilität und Frieden.“ Deutschland müsse allerdings begreifen, dass es zurzeit nicht der Taktgeber ist, sondern viel nachholen muss. „Es ist daher Zeit für Reformen, damit wir wieder Treiber werden und nicht Getriebener bleiben.“

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine stelle die Wirtschaft zwar vor erhebliche Herausforderungen, aber auch er biete Chancen. Schleswig-Holstein komme dabei eine bedeutende Aufgabe zu: „Allein die Transitstrecken nach Skandinavien und der Warenaustausch über den zweitgrößten deutschen Ostseehafen Lübeck sind gute Beispiele dafür, wie gut wir hier schon aufgestellt sind“, so Goldbeck.

„Unsere Häfen sind überlebenswichtig für eine Exportnation. Und diese müssen jederzeit über die Straße, die Schiene und zu Wasser, zum Beispiel über den Elbe-Lübeck-Kanal, erreichbar sein“, sagte Schöning. Ebenso wichtig seien die A20 und die Elbquerungen westlich und östlich der Metropole Hamburg, aber auch günstige Energie, damit Unternehmen am Standort blieben und neue sich ansiedelten. Der Bund müsse erkennen, dass die Infrastruktur in Norddeutschland und in Schleswig-Holstein im Besonderen von nationaler und sogar internationaler Bedeutung ist, für die Wirtschaft und nun auch das Militär. Es komme nun darauf an, die Infrastruktur deutlich auszubauen und damit den Standortnachteil des Nordens zum Vorteil zu entwickeln.

Ebenso sei die Sicherheit der Infrastruktur von den Verkehrswegen über die Energienetze bis zum Internet entscheidend für den Erhalt des Wohlstands. „Die Wirtschaft ist bereit, ihren Anteil zu leisten“, kündigte Goldbeck an. „Es wäre wünschenswert, wenn es wie bei der Energiewende Anreize gebe, die den Unternehmen Chancen bieten. Je enger wir also in die Beratungen involviert sind, desto besser können wir dazu beitragen, dass sich die Wirtschaft absichern kann.“ Zudem sei die IHK zu Lübeck bereit, die aus der Vergangenheit bekannte Rolle als Schnittstelle zwischen der Landesverteidigung zur Wirtschaft vor Ort zu übernehmen. Das betreffe vor allem Fragen zum Einsatz von zivilem Material auf Anforderung der Bundeswehr.

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