Goldschmiedegesellin Linda auf der Walz
Die Tradition lebt weiter. „Fremdgeschrieben auf drei Jahre und einen Tag“ heißt es. Linda befindet sich seit 4 1/2 Jahren auf der Walz. „Ich bin schon ein bisschen über die vorgeschriebene Zeit“, lacht sie „aber ich lerne so viel verschiedene Arbeitsweisen und lerne so viele Leute in den verschiedenen Betrieben und Städten kennen, es mach einfach Spaß.“ Ihren Nachnamen hat sie zu Beginn der Wanderschaft abgelegt und an dessen Stelle ist nun der Zusatz „fremde und freie Goldschmiedin“ getreten.
Vielleicht geht es Ihnen jetzt auch so, von Zimmerleuten und Tischlern hat man das mit der Wanderschaft schon gehört, aber Goldschmiede – und vor allem Frauen?
Diese Verwirrtheit begegnet Linda immer wieder, sie freut sich aber über das Interesse, das ihr entgegenschlägt: „Es haben sich tatsächlich Schächte, so nennt man die einzelnen Gesellenvereinigungen, gegründet, die auch Frauen aufnehmen.“ Und das passt in die heutige Zeit.
Sie liebt ihren Beruf, sie liebt es unterwegs zu sein, sie kann sich mit dem Nötigsten begnügen und sie begegnet gern Menschen. Das sind gute Voraussetzungen für das Leben, dass sie momentan führt. Und sie muss flexibel sein und auch mal andere Arbeiten verrichten. So hat sie schon Zimmerleuten, Müllern und Sattlern, mit denen sie unterwegs war, bei ihren Aufgaben geholfen. „Ich lerne unglaublich viele verschiedene Berufe kennen dadurch und kann auch mal etwas anderes ausprobieren. Wer hat schon diese Möglichkeiten“, erzählt sie euphorisch.
In Deutschland hat sie schon in jedem Bundesland gearbeitet, sie war in Frankreich, Belgien, Österreich, der Schweiz und andere europäischen Ländern und in Marokko und Sri Lanka. Dort hat sie in eine Fair Trade und Recycling Goldschmiede gearbeitet. Die Arbeit dort hat ihr sehr gefallen, gerade auch weil sie wusste, dass die Arbeiter dort fair bezalt werden und später sogar eine Rente erhalten, was völlig landesuntypisch ist.
Arbeit für Lohn, Kost und Logis
Zur Zeit arbeitet Linda in Stockelsdorf bei der Goldschmiede Krieglstein und konnte auch privat im Gästezimmer des Vaters der Chefin unterkommen. Katja Krieglstein hatte in einem Netzwerk für Goldschmiede Unterstützungsbedarf angemeldet und eine Goldschmiedin, die Linda auch schon mal beschäftigt hatte, gab diesen Tipp sofort an sie weiter. Von Ort zu Ort darf Linda aber nur entweder trampen oder zu Fuß gehen. Zug und Bus fahren geht nur, wenn sie vorher nachfragt, ob man sie unentgeltlich mitnehmen würde, sie darf für´s Reisen nichts ausgeben. Um am Sonntag vielleicht mal an den Strand zu kommen, würde ihr ein Rolandsbruder (auch eine Gesellenvereinigung) aus Lübeck ein Fahrrad leihen.
Bleiben dürfte sie nach den „Gesetzen“ für Wandergesellen drei bis vier Monate. „Man sagt: Wenn der Postbote grüßt, der Hund nicht mehr bellt und der Meister seine Töchter nicht mehr einsperrt, ist es Zeit, weiter zu ziehen“, gibt sie lachend den Leitspruch der fremdgeschriebenen Gesellen zum besten. Gefallen hat es ihr bisher in allen Betrieben. „Natürlich muss man sich anpassen, aber man hat ja auch seinen eigenen Arbeitsstil“, schmunzelt sie. Die meisten lassen ihr aber die kreative Freiheit, die gerade in diesem Handwerk so wichtig ist.
Mittwoch muss sie, ganz traditionsbehaftet, noch zu einem Treffen der Wandergesellen, denn da wird ein „Bruder“ nach Hause gebracht, er beendet also seine Wanderjahre. „Das ist in Dithmarschen, zum Glück noch weiter als 50 km von Schleswig, meiner Heimat, entfernt“, ist Linda erleichtert, denn sonst hätte sie nicht mitgehen dürfen, da sie die „Bannmeile“ oder Bannkreis nicht betreten darf. Treffen der Wandergesellen finden immer dann statt, wenn einer nach Hause gebracht wird oder gerade beginnt. „Wenn einer losgebracht wird, schmeißt derjenige eine große Abschiedsparty, dann kommen viele Gesellen, die auf Wanderschaft sind und davon mitbekommen haben und die begleiten die Person die erste Zeit. Eine Woche ist man dann in einer großen Gruppe unterweg, um aus dem Bannkreis rauszulaufen, traditionsgemäß zu Fuß.“ Der Altgeselle begleitet einen noch drei Monate lang.
Eigentlich könnte Linda ein ganzes Buch mit ihren Erlebnissen füllen. Als Beispiel erzählte sie von einer Frau aus der Schweiz, die sie beim Trampen in der Region Liestal (südöstlich von Basel) mitgenommen hat. Diese wollte ihr unbedingt ihr lila Haus zeigen, das sich tatsächlich nicht nur von außen, sondern auch von innen durchgängig, bis hin zu den Mülltüten, lila zeigte. Und die Frau hat Linda dann sogar noch bis nach Freiburg gefahren, was nicht gerade mal eben um die Ecke liegt.
„Viele machen nach der Rückkehr ihren Meister“, erzählt sie weiter, „aber ich weiß noch gar nicht, ob ich das machen werde. Vielleicht mache ich auch eine Weiterbildung zum Steinfasser oder Graveur“, lässt sie ihre weitere Laufbahn offen. Sie hat viele schöne Ecken entdeckt, aber wo es sie nach der Walz hintreiben wird, wird sie wohl erst merken, wenn sie wieder zu Hause ist. „Vielleicht habe ich ja dann auch das Gefühl, zu Hause bleiben zu wollen.“