Übergangsweise: Historische Ausstellung im Leerstand in der Beckergrube eröffnet
Bürgermeister Jan Lindenau eröffnete die Ausstellung

»Wandel war hier schon immer.« ist der Titel einer historischen Ausstellung in der Beckergrube 13-17, die am Freitag, 30 Mai, eröffnet wurde. Keine Straße bleibt, wie sie ist – das gilt auch für die Beckergrube, die von der Trave bis in die Mitte der Altstadt führt. Seit dem Mittelalter wird auch dort gebaut, umgebaut, modernisiert, abgerissen, neu errichtet. So auch gerade jetzt. Jede Epoche hat ihre Spuren hinterlassen und Häuser an den Stil der Zeit angepasst. Vor allem der Zweite Weltkrieg und die Jahre des Wiederaufbaus haben das Gesicht der Beckergrube völlig verändert und dem Verkehr viel Raum gegeben. Die Ausstellung dokumentiert auf sechs Bildtafeln historische Aufnahmen aus der Zeit von etwa 1870 bis 1970: Fotos, Drucke und Zeichnungen, die zeigen, wie sich die Beckergrube in 100 Jahren fortwährend verwandelt hat.
Zusammen mit dem Historiker Dr. Jan Zimmermann, den Lübecker Museen, dem Kulturbüro der Hansestadt Lübeck und dem Theater Lübeck hat das Lübeck Management (LM) eine Fotodokumentation in ein ehemaliges Ladengeschäft in der Beckergrube 13-17 gebracht. Die Bilder zeigen vor allem eines: eine Straße, vor allem eine Straße, die auch vom Verkehr bestimmt ist, bleibt nie wie sie einmal war.
Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau eröffnete die Ausstellung mit einem Dank an die Beteiligten und dem Hinweis auf jene und wiederkehrende Veränderungen, die eine Stadt braucht, um nicht still zu stehen. Mit seinem Hinweis auf die Bedeutung des historischen Bestandes in der Lübecker Innenstadt schwenkte er in die Beckergrube: „Über Jahrzehnte haben wir immer wieder gehört, in der Beckergrube sei es nicht ganz so schön und ein Prozess der Veränderung sei längst überfällig. Die Ausstellung verdeutliche sehr anschaulich die Phasen städtebaulicher Entwicklungen und nehme die Betrachter:innen mit auf eine interessante Zeitreise.“
Jan Zimmermann ist begeistert, Bilder an ihren Ursprungsort zurückzubringen und damit auf Veränderungen und Verluste hinweisen zu können. Mit seinen Bildern schärft er den Blick und hilft zu erklären, warum städtebaulich etwas so ist wie es heute ist. Ein leerstehendes Schaufenster als Ausstellungsort hat für Zimmermann einen besonderen Reiz: „Ein Schaufenster ist immer und für jeden zugänglich und das Stehenbleiben und Anschauen kostet nichts – ein kulturelles Geschenk an alle, die vorbeikommen“, freut er sich über die Gestaltungsmöglichkeiten in der Beckergrube und in der Breite Straße 36-42, wo er schon im vergangenen Jahr in einem Leerstand aktiv war.
Beim Blick auf die Schaufensterausstellung vermischen sich Zeithorizonte mit heute: 80 Jahre nach Kriegsende erinnert die Ausstellung an die zerstörende Bombennacht vom 29. März 1942 und die baulichen Folgen des Wiederaufbaus Anfang der 50er Jahre. Auch das Wohn- und Geschäftshaus der Familie Mann in der Beckergrube wurde 1942 zerstört. Am 6. Juni 2025 wäre Thomas Manns 150. Geburtstag. Im Jahr 1929 wurde Thomas Mann mit dem Nobelpreis der Literatur für seinen Roman Buddenbrooks ausgezeichnet. Zweimal wird in den Buddenbrooks von Thomas Mann erwähnt, dass man vom Haus in der Mengstraße 4 durch den Garten und den zweiten Hof in die Beckergrube gelangen konnte. Das war tatsächlich möglich, ist aber erst seit kurzem dank neu entdeckter Zeichnungen von 1854 zu belegen. Mitten in den Vorbereitungen zu den Feierlichkeiten anlässlich Thomas Manns 150. Geburtstags freut sich auch Dr. Caren Heuer, Direktorin des Buddenbrookhauses, über die Beckergruben-Ausstellung: „Wir finden es toll, dass Jan Zimmermann den Lübecker Leerstand so informativ und unterhaltend belebt. Man wird jetzt klüger, wenn man durch die Beckergrube geht.“
„Für uns kommen bei diesem Projekt sehr viele positive Aspekte zusammen“, freut sich Olivia Kempke, LM Geschäftsführende Vorsitzende, über diese Ausstellung. „Wandel klappt nur mit Mut und Lust auf ungewöhnliche Dinge. Das krampfhafte Festhalten am Gestern, an einer stilisierten Komfortzone – in diesem Fall die Beckergrube -, deren Charme sich heute weniger auf Komfort, denn auf Zone beschränkt, ist nicht zielführend.“ Jeder weiß, dass die mit der Neugestaltung der Beckergrube einhergehenden Bauarbeiten kein Vergnügen für an- und umliegende Gewerbetreibende, Lübeck-Gäste und auch für das Immobilieneigentum sind. Kempke: „Wandel zu gestalten, ist alles andere als einfach, aufzuhalten ist der Wandel jedoch nicht. Nichts verdeutlicht das mehr als diese Ausstellung. Dass wir in diesem insgesamt schwierigen Prozess auch auf einen Vorzeige-Immobilieneigentümer und Vermieter treffen, ist pures Glück. Für die Bereitschaft, die Räumlichkeiten für die Ausstellung zur Verfügung zu stellen, bedanken wir uns sehr herzlich.“
Für Immobilieneigentümer Stephan Bünning war das gar keine Frage langer Überlegungen. „Ein Leerstand muss nicht zwangsläufig zugeklebt werden. Interessant gestaltet fügt er sich viel besser und ansprechender ins Stadtbild ein und außerdem erzählen die Häuser in der Lübecker Innenstadt immer auch eine Geschichte.“ Also eine Win-Win-Situation für alle. „Leerstand gab es hier immer wieder einmal, auch ohne Baustelle“, erzählt Bünning. Dass die Aussichten für eine Neuvermietung aufgrund der Baustellensituation aktuell nicht die allerbesten sind, bestreitet Bünning nicht. Er ist sich aber sicher: „Diese Gewerbefläche ist wie gemacht für ein individuelles, kreatives und liebevoll gestaltetes Konzept, das nicht nur mit dem gegenüberliegenden Theater korrespondiert, sondern insgesamt Lust auf einen Besuch der neugestalteten Beckergrube macht“. Mietanfragen liegen zwar bereits vor, das überzeugende Konzept war aber noch nicht dabei. „Raum sucht Nutzer:in – hier warten zwei aufeinander, die sich nur noch nicht kennen“, merkt Bünning mit einem Augenzwinkern an.
Die Ausstellung »Wandel war hier schon immer.« ist zu sehen in den Schaufenstern der Geschäftsräume in der Beckergrube 13-17, 23552 Lübeck, direkt gegenüber des Theater Lübeck. Die Schaufenster sind rund um die Uhr zugänglich; die Sicht kann aufgrund der Bauarbeiten temporär jedoch beeinträchtigt sein. Die Dauer der Ausstellung hängt von der künftigen Nutzung der Räume ab. Ein Zutritt zu den innenliegenden Ausstellungsräumen/Geschäftsräumen ist nicht möglich.