Kirchengemeinden müssen Immobilien auf den Prüfstand stellen
Pröpstin Petra Kallies und Propst Philip Graffam

Pröpstin Petra Kallies und Propst Philip Graffam sehen im Prozess notwendiger Veränderungen in den Kirchengemeinden großes Potenzial, Neues auszuprobieren und die Kirche der Zukunft zu gestalten

(Foto: KK LL)
Sinkende Mitgliederzahlen, geringere Kirchensteuer-Einnahmen, weniger Pastor:innen: Die Kirche steht vor gewaltigen Herausforderungen. Nicht nur in Lübeck und im Herzogtum Lauenburg - bundesweit muss Kirche und gemeindliches Leben neu gedacht werden. „Natürlich ist dies kein leichtes Unterfangen, aber es ist auch ein spannender Prozess mit sehr viel Potenzial, Neues auszuprobieren und zu gestalten“, sagen Petra Kallies, Pröpstin in der Hansestadt, und ihr Lauenburgischer Amtsbruder Philip Graffam.
Lübeck/Ratzeburg
In den vergangenen Monaten hat es viele Diskussionen um das Gebäudekonzept der Kirchengemeinde in St. Jürgen in Lübeck gegeben. Hier ist die Schließung und der Verkauf von zwei Kirchen geplant. „Wessen Herz für die Kirche schlägt, der kann nur erahnen, wie sehr die Frauen und Männer des Kirchengemeinderats mit sich gerungen haben. Es ist ein harter, aber konsequenter und richtiger Schritt“, sagt Petra Kallies. Als Pröpstin steht sie der Gemeinde beratend zur Seite, wenn dies gewünscht ist. Direkten Einfluss will und kann sie aber nicht nehmen. „In der evangelischen Kirche ist jede Gemeinde eigenständig und der jeweilige Kirchengemeinderat - als von den Gemeindemitgliedern demokratisch gewähltes Gremium - muss letztlich die nötigen Entscheidungen treffen.“

Alle Gemeinden müssen Entscheidungen treffen

Und tatsächlich werden nach und nach alle 50 Kirchengemeinden in Lübeck und im Lauenburgischen ihre Immobilien auf den Prüfstand stellen müssen. „Bereits vor zehn Jahren zeichnete sich ab, dass die Kirchengemeinden künftig weniger Geld zur Verfügung und weniger Mitglieder haben werden“, erläutert Philip Graffam. 2013 leitete die Synode, das höchste demokratisch besetzte Gremium im Kirchenkreis, erste maßgebliche Schritte ein, um die Kirchengemeinden für die Zukunft gut aufzustellen. Im Dezember 2017 wurde schließlich ein Gebäudekonzept verabschiedet, verbunden mit dem Auftrag, die regionale Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden zu intensivieren und zugleich den tatsächlichen Bedarf von Liegenschaften angesichts geringerer Mitgliederzahlen zu ermitteln. „Das sind Aufgaben, die niemand weder gern beschließt, noch in Angriff nimmt“, sagt Lübecks Pröpstin. Aber: „Die Gemeinden haben erkannt, dass es keine Alternative gibt und wie elementar diese Prüfung ist.“

"Ein ,Weiter so' ist ausgeschlossen"

Lauenburg/Elbe, Mölln oder Börnsen: Einige Gemeinden haben den Prozess bereits abgeschlossen. Andere wie St. Jürgen in Lübeck sind mittendrin. „Um es ganz klar zu formulieren: Ohne die Reduzierung des Immobilienbestandes wird es wirtschaftlich künftig nicht funktionieren. Ein ,Weiter so’ ist ausgeschlossen“, betont Philip Graffam und beruft sich auf ein gemeinsames Positionspapier der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) und des katholischen Verbands der Diözesen Deutschlands (VDD), nach dem sich bis 2060 beide Kirchen jeweils von einem Drittel ihres Gebäudebestands trennen müssen. Pröpstin Kallies rechnet sogar mit einem noch höheren Anteil. „Wir können und werden unsere Augen nicht verschließen, denn letztlich geht es bei Kirche doch nicht um Steine, sondern um Menschen, mit denen wir eine lebendige Kirche gestalten“, bekräftigt Graffam. Kirchensteuermittel sollten besser in Personal investiert werden, denn dass Kirche komplett ehrenamtlich funktioniert, sei nur schwer vorstellbar.

Kirche habe sich seit Jahrhunderten immer wieder Herausforderungen und Veränderungen stellen müssen. So auch jetzt. „Aber: Das ist zugleich eine riesige Chance, etwas Neues zu gestalten“, sind sich die beiden Seelsorgenden einig. Wie soll in Lübeck und im Herzogtum Lauenburg die Kirche der Zukunft aussehen? „Eine spannende Frage, die wir nicht nur intern in einer Arbeitsgruppe ,Kirche 2030’ bewegen“, sagt Petra Kallies. „Wir laden die Menschen auch herzlich ein, ihre Ideen, Wünsche und Hoffnungen mitzuteilen.“ Auf Gemeindeversammlungen könnten sich Interessierte aktiv einbringen. Über Fragen und Anregungen würden sich die Kirchengemeinderäte freuen. In einigen Gemeinden wird bereits auf Webseiten informiert. Andere planen spezielle Newsletter.

Ideen, Wünsche und Hoffnungen mitteilen

Dass dieser Prozess des Wandels nicht leicht ist, vor allem für kirchennahe Menschen, das wissen beide pröpstliche Personen aus vielen Gesprächen - mit Pastorinnen und Pastoren, vor allem aber mit Gemeindemitgliedern. „Veränderungen sind für uns Menschen nie leicht, aber jede und jeder kennt diese Erfahrung: Was anfangs mitunter ganz entsetzlich und schlimm erschien, stellte sich später als echter Gewinn heraus“, so Propst Graffam. Beide sagen: „Die Gemeinden möchten diesen Weg mit den Menschen gehen - und wir sind sicher, dass es nach und nach ganz viele individuelle, lebendige und fröhliche neue Konzepte einer aktiven Kirche vor Ort geben wird.“ Was sich allerdings nicht ändern werde, das sei das Fundament, auf dem die Gemeindearbeit auch künftig stehen werde: „unser christlicher Glaube an die Liebe Gottes zu allen Menschen“, so Kallies.

Dass in dem laufenden Prozess mitunter Fehler gemacht würden, sei ärgerlich. Aber: „So bedauerlich es auch ist: Wo Menschen arbeiten, passieren auch Fehler. Wichtig ist nur, dass man in der Diskussion fair miteinander umgeht, im direkten Gespräch bleibt und nach gründlicher Prüfung am Ende auch bereit ist, Entscheidungen zu akzeptieren“, bekräftigt Philip Graffam. Letztlich gehe es darum, optimistisch nach vorn zu schauen.
Quelle: KK LL